Sloweniens „Dreikopf“ – das erreichbare Ziel!
Einmal auf dem höchsten Berg des eigenen Landes zu stehen, ist für den Slowenen das, was für den Moslem die Pilgerfahrt nach Mekka bedeutet.
Im Gegensatz zur Reise nach Saudi Arabien ist allerdings in den Julischen Alpen Schwindelfreiheit und Trittsicherheit erforderlich. Alle Wege sind bestens ausgeschildert oder auf Steinen markiert. Über 7000 km markierte Pfade umfasst der Triglav-Nationalpark – ein Paradies für Bergsteiger und ein besonderer Aktivurlaub für gut Trainierte!
Überall stehen Parkplätze mitten im Wald, an Almhütten und auf kleinen Lichtungen zur Verfügung, wo der fahrbare Untersatz ausharren muss, bis der Besitzer nach der Bergbesteigung wieder auf unter 1000 m hinabgestiegen ist.
Mehr als 20 verschiedene Wanderwege und Klettersteige führen den berghungrigen Sportler hinauf in mächtige Bergwelten, immer dem einen Ziel entgegen – dem Gipfel des Triglav, der auf der slowenischen Nationalflagge verewigt ist.
Hoch hinauf und klein anfangen!
Atemberaubende Blicke werfe ich auf imposante Steilhänge, bei jeder Verschnaufpause betrachte ich stolz das geschaffte Wegstück. Der Triglav-Nationalpark ist nicht der Himalaya, aber wer Reinhold Messner nacheifern will, muss klein anfangen. Mit 2864 m Höhe ist der Triglav ca. 100 m niedriger als die deutsche Zugspitze, aber im Vergleich mit anderen Gipfeln der ehemaligen jugoslawischen Staaten ist der slowenische „Dreikopf“ der höchste Riese.
Unterschiedliche Schutzhütten bieten Übernachtungsmöglichkeiten auf über 2000 m Höhe an. Eine Reservierung ist empfehlenswert. Man schläft in kleinen Mehrbettzimmern in Etagenbetten oder in Reihenbetten nebeneinander. Wer den großen Rummel auf einer Berghütte meiden möchte, steigt in der Wochenmitte auf.
Eins sein mit der Natur und der Zeit entrückt!
Sehr oft verhüllt der Triglav, sein dreiköpfiges Haupt in Nebelwolken, aber ich habe Glück. Am strahlenden Sommertag geht es steil bergan über kantiges Gestein. Ich tauche ein in eine zeitlose Bergwelt voll grauer Himmelsstürmer – majestätische Spitzen, wohin das Auge blickt. Meine Vorstellungskraft reicht nicht aus, um den geologischen Entstehungsprozess über Milliarden Jahre zu verstehen. Die Felsmassen strömen eine Macht aus, die mich meine Winzigkeit begreifen lassen. Für mich symbolisieren sie unbeschränkte Freiheit und unermessliche Weite.
Bald lasse ich die letzten grünen Matten hinter mir und nur noch das blanke Gestein ist meine Bühne.
Unberührt ragen die schroffen Hänge still in den Azur des Himmels, verströmen Beständigkeit und Ewigkeit.
Grenzen überschreitende Erfahrung
Kein Klettersteig ist im Nationalpark so gut gesichert wie der Weg auf den Triglav, heißt es! An Seilen wird man sicher zum Ziel geführt, aber den Gedanken an einen lockeren Spaziergang sollte man getrost begraben. Auf den winzigen Steinvorsprüngen finde ich kurzfristigen Halt und nicht selten muss ich meine Hände zu Hilfe nehmen, um mich hochzuziehen.
Über den schwindelerregenden Grat steige ich mit letzter Anstrengung und fiebernder Erwartung weiter und plötzlich kann ich den höchsten Punkt erkennen.
Kein Gipfelkreuz steht dort oben, sondern der berühmte runde Turm von 1895, der Aljažev Dom. Nur wenige Monate im Jahr – von Ende Juni bis September – lässt sich der Berggipfel bezwingen. Falls im Juli noch Schnee auf der Spitze liegt, empfindet man den erstaunlichen Kontrast zwischen blauem Sommerhimmel und weißen Winterboten noch intensiver.
Eine grenzenlose Stille und die abgrundtiefe Einsamkeit hüllen mich ein, ich genieße den Blick in die Unendlichkeit.
Die Welt liegt mir zu Füßen und ein sagenhafter Stolz ermächtigt sich meiner. Ich kann es nicht fassen! Ich habe es aus eigener Kraft geschafft, ca. 2 Höhenkilometer zu bezwingen! Überwältigende Belohnung nach strapaziösen Stunden!
„Fest gemauert in der Erden steht der Fels aus Kalk geformt …“ dichte ich, angelehnt an Schillers Glocke, und kann mich nicht losreißen vom kolossalen Moment des Triumphes und dem großartigen Gelingen eines unvergleichlich eindrucksvollen Abenteuers.