Schon in der sechsten Klasse faszinierten mich die im besonderen Reimschema verfassten einstrophigen Gedichte, die wir im Englischunterricht auswendig lernen mussten. Seit damals hatte ich den Wunsch, die Stadt Limerick einmal zu besuchen, von der ich fest glaubte, sie habe den schadenfrohen, ironischen, pointierten Versen ihren Namen gegeben. Auf eine wortreiche Entdeckungsreise wollte ich gehen, denn ich erhoffte mir literarische Anschlagtafeln im Limerick-Stil, ein Museum für Limericks aus aller Welt, Plakatsprüche nach Limerick-Art, touristische Postkarten in Hülle und Fülle über Limericks mit lustigen Grafiken. Ich stellte mir die Stadt als eine einzigartige literarische gereimte Welt vor.
Limericks Geschichte und Bedeutung
Seit 812 existiert im Südwesten Irlands die Wikingersiedlung am Shannon, die von Normannen im 12. Jahrhundert neu erbaut wurde, was heute noch durch die Sehenswürdigkeit King John’s Castle lebendig ist.
Limerick hatte mit dem Fluss Shannon einen direkten Zugang zum Meer und man könnte denken, dass Irland durch die Inselsituation mit seinen Hafenstädten früher ein blühendes Geschäft im transatlantischen Handel hatte, aber dem war nicht so, weil britische Gesetze es unterbanden.
Mein Reiseführer gibt Auskunft darüber, dass Limerick als einzige Stadt Irlands nie von Feinden erobert und als Drogenstadt in Europa bekannt wurde. Limerick ist allerdings auch eine Universitätsstadt mit mehr als 11000 Studenten – es herrscht eine fröhliche Atmosphäre mit typischen Pubs, Einkaufsläden und Restaurants, Märkten und kulturellen Angeboten.
Kommerzielles und lebendiges Rückgrat der Stadt ist die O’Connell Street mit ihren Nebenstraßen. Hier wird u. a. dem Hurling, dem gälischen Mannschaftssport (zweitbeliebteste Sportart Irlands), und dem Gälic Football mit einer Statue gehuldigt.
Tourist in Limerick
Während meiner Spaziergänge durch die Stadt suchte ich immer nach dem Traum meiner Schulzeit. Limerick ist ganz anders als erwartet.
Überraschend waren für mich die gälischen Schriftzeichen auf dem Straßenboden als Hinweis für Fußgänger und die zweisprachigen Straßenschilder.
Nicht annähernd kann ich erahnen, wie Phonetik und Betonungen lauten könnten und ich finde auch keinen sprachlichen Anker zu anderen Sprachen. Das Gälische wird als keltische Sprache nur noch von einer überschaubaren Zahl von Iren gesprochen, aber im Westen und Norden der Insel leben die Worte für jeden sichtbar auf den Hinweistafeln.
Limerick – King John’s Castle
Die Wikinger erkannten die strategische Bedeutung des Ortes und erbauten um 1210 am Zusammenfluss von Shannon und Abbey auf King’s Island die größte Burg Irlands. Beeindruckend ist sie vom Ufer aus zu sehen, ihr düsteres Aussehen erinnert an die Funktion als Gefängnis im 18. und 19. Jahrhundert. Nach der Restaurierung Ende des 20. Jahrhunderts ist der ursprüngliche Charakter der Festung allerdings durch das moderne Besucherzentrum im Inneren etwas abhandengekommen.
Ein Spaziergang führt gleich in der Nähe an der St. Mary’s Kathedrale vorbei und in einen Stadtbereich mit kleinen rustikalen Häusern.
Letztlich erfüllte sich doch noch ein ganz anderer Traum. Gerade in Limerick fand ich während meiner Irlandreise besonders schöne Exemplare der unverwechselbaren englischen Türen – so einheitlich und doch so individuell.
Frank McCourt, der literarische Sohn der Stadt Limerick
Zum Schluss meines Stadtbesuches fand ich statt meiner heiß geliebten Limericks dennoch einen literarischen Anknüpfungspunkt. Der berühmte irisch-amerikanische Schriftsteller Frank McCourt hat mit dem autobiografischen Roman „Die Asche meiner Mutter“ ein persönliches Zeugnis über die Stadt seiner Kindheit abgelegt.
Eine zweistündige Tour folgt den Spuren seines literarischen Schaffens. 2011 eröffnete das Frank McCourt Museum in seiner früheren Schule und enthält Ausstellungsstücke zum Buch sowie die Asche des Autors selbst.